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Wie der Nibelungenpfiff zum Helfer wurde

Baden in der Concha von San Sebastian
Baden in der Concha von San Sebastian
Baden in der Concha von San Sebastian
Zwischen Casablanca und Céuta
Zwischen Casablanca und Céuta

Vor der Iphone Zeit gab es eine andere, einfache und technisch störungsfreie Kommunikation. Für Nibelungen war es der ‚Nibelungenpfiff‘. Der ist zeitlos und unabhängig vom geographischen Standort, wie zwei Erlebnisse zeigen.

Es ist 60 Jahre her …nach im Sommer 1958 erfolgreich bestandenem Physikum beschlossen wir Bundesbrüder Wolf-Dieter Wernecke, Werner Stahl und Gerhard Siemon, eine „Examensreise“ zu machen. Jeder hatte 200,- DM, damit wollten wir Spanien erobern. Durch Verwandtschaft von Gerhards Wirtin, einer deutsch-amerikanischen Familie auf dem Rückweg nach Sevilla, hatte er eine durchgehende Fahrt. Wolf-Dieter und Werner starteten ab Marburg per Anhalter, guten Mutes gelangten sie bis an Spaniens Grenzen. Jedoch waren damals auf den dortigen Landstraßen nur wenige Autos unterwegs, die als mögliche Transportmittel infrage kamen. So mussten sie sich, um überhaupt die großen Strecken bis zum verabredeten Treffpunkt in Sevilla in Südspanien zurücklegen zu können, erst einen gemeinsamen Fahrschein 3. Klasse für 4000 km mit einem Foto von ihnen, ein „Kilometriko“, kaufen.

Nachdem Wolf-Dieter und Werner auch auf dem verabredeten Treffpunkt, der deutsch-amerikanischen Familie, eingetroffen waren, zogen wir gemeinsam weiter nach Süden in Richtung Straße von Gibraltar, jetzt per Anhalter. Nicht immer wurden wir zu dritt mitgenommen, so auch auf der letzten Strecke vor der Küste in Richtung Algeciras. Ein Franzose nahm Werner und Gerhard in seinem Mercedes mit deutscher Schäferhündin mit, und wir gelangten an die Küste. Im Fährbereich trafen wir ihn wieder, auch Wolf-Dieter war rechtzeitig eingetroffen, so wurden wir von ihm, dem französischen Grafen mit einer Kautschukplantage im damaligen Indochina kurzerhand nach Casablanca eingeladen. Wir schifften ein zum Abenteuer Marokko. In Ceuta stiegen wir wieder in den Mercedes und fuhren durch die Nacht. Gegen Morgen kamen wir in einem Landhaus in Casablanca an. 5 Tage wurden wir vorzüglich versorgt. Ein Versuch, nach Marrakesch zu gelangen, schlug fehl, so bedankten wir uns für die Gastfreundfreundschaft und machten uns auf den Rückweg, damals auch in Marokko per Anhalter ohne Probleme.

Nach nächstem kurzem Aufenthalt wieder in Sevilla bei der deutsch-amerikanischen Familie ging es nach schnellem Abschied weiter in Richtung Norden mit dem Ziel Madrid. Für die Rückfahrt hatten Wolf-Dieter und Werner noch genügend Kilometer auf dem Kilometriko für die Fahrt von Sevilla nach Madrid.

Für den gleichen Zug, der Sevilla gegen Abend verlassen würde, versuchte Gerhard, eine Fahrkarte zu kaufen, leider vergebens, der Zug sei ausgebucht, auch gutes „Zureden“ half nicht, es waren spanische Beamte. Er war guten Mutes, die Hauptroute Sevilla – Madrid in 24 Stunden bewältigen zu können, um rechtzeitig zur Ankunft des Zuges in Madrid am nächsten Morgen am Bahnsteig zu sein und stand in aller Frühe an der Straße. Mit 7 Autos schaffte er ca. 150 km und musste immer darauf achten, in einem Ort mit Bahnhof abgesetzt zu werden. Es wurde dunkel, eine Weiterfahrt per Anhalter war nicht mehr möglich, so wartete er in einem Bahnhof auf die Ankunft des Zuges, in dem Wolf-Dieter und Werner saßen. Als er hielt, pfiff Gerhard unseren Nibelungenpfiff. Die Beiden stiegen aus, und wir waren wieder vereint. Gerhard stieg zu ihnen und verstaute sein Gepäck, aber unser Problem jetzt: Das Kilometriko mit Fotos von Werner und Wolf-Dieter war natürlich nur für 2 Personen gültig. Der Zug fuhr an, und schon bald sah man den Kontrolleur kommen, jedoch rechtzeitig wurde der nächste Bahnhof erreicht.

Wir blieben noch zwei Tage in Madrid, dann ging es über San Sebastian und Bayonne in Richtung Heimat, in Südfrankreich trennten sich unsere Wege. Mit dem Nibelungenpfiff als Erkennungszeichen haben wir damals noch direkt, ohne ein Medium zwischen uns untereinander als Bundesbrüder kommunizieren können.  Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, 7 Wochen ohne Handy, ohne Telefonverbindung zur Heimat – 7 Wochen wussten unsere Angehörigen nicht, wo wir waren.

7000 km Wegstrecke mit ca. 40 Autos, Bahn und Fähre  für 200,- DM  einschließlich Unterkunft und Verpflegung kamen wir, zwar etwas abgemagert, aber gesund und um viele unvergessliche Erlebnisse und Erfahrungen reicher wieder zu Hause an und begannen bald darauf mit dem klinischen Studium außerhalb von Marburg. Zur Examenszeit kamen wir wieder nach Marburg zurück.

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